• Der US-amerikanische Umgang mit Tik Tok...

    Warum stellen sich nicht eigentlich Frau Merkel oder Frau von der Leyen hin und gehen in Bezug auf Youtube/Google/Alphabet und WhatsApp/Facebook genau so vor, wie die US-Regierung bezüglich Tik Tok und WeChat?

    Entweder speichern beide Unternehmen ihre Daten zukünftig nur noch auf EU-Servern, übertragen nichts davon mehr in die USA und müssen ihr EU-Geschäft zudem an ein oder zwei rein europäische Unternehmen abtreten, oder am kommenden Wochenende ist Schluss mit Verbreitung und Nutzung derer Apps, Dienste und Websites innerhalb der EU.

    Mich würde da insbesondere mal sehr die Reaktion von Herrn Trump interessieren...

    Aber dafür müsste die EU halt auch einen Arsch in der Hose haben.
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    Macerer vom Dienst
    • Das dürfte weniger am Fehlen eines Hinterteils sondern am Mangel an Alternativen liegen

      Was passiert denn in den USA, wenn Tik Tok abgeriegelt wird? Es wird auf den bekannten, amerikanischen Plattformen weitergemacht.

      Und nun stell mal genau diese Plattformen hier ab, worauf soll in großem und funktionierendem Maßstab ausgewichen werden?

      So kann man sich nur mit entsprechender Marktmacht im Hintergrund aufführen.
      • Seit zwei Jahrzehnten wird von Politik und Wirtschaft nach einem "europäischen Google" gerufen.

        ... passiert ist exakt nichts.

        Das liegt nicht daran, dass man in unseren Breiten nicht kreativ oder innovativ wäre. Das liegt vielmehr daran, das (moderne) IT hier immer noch "Neuland" und deren intensive, finanzielle Förderung durch die Staaten (wie es z.B. in den USA oder China der Fall ist) quasi kaum existent ist. Und gibt es mal Fördermittel, so sind das "Aerosole auf heißem Stein", die weder einem Startup, noch etablierten Unternehmen genügen, um die Entwicklung richtig voran zu treiben.

        Auch dies ist ein Generationen-Problem. Wieder stehen die "alten weißen Männer" dem Fortschritt entgegen.

        Überall, besonders in Deutschland, wird nach "Digitalisierung" geschrien, tatsächlich ist aber eine "Analogsierung" gewünscht: Digitale Lösungen sollen aus dem Arbeitsalltag bekannte Vorgehenswesen idealerweise 1:1 am Bildschirm widerspiegeln. In der Folge werden die bisherigen Formulare samt fingerdicken Ausfüll- und Bearbeitungshinweise zu PDF, die man dann bestenfalls (aber beileibe nicht immer) am Bildschirm ausfüllen, danach ausdrucken und zum Amt tragen darf... Innovativere, ggf. notwendige Tätigkeiten und Angaben auf das Notwendigste reduzierende Lösungen gelten als Teufelswerk in der Welt des "das haben wir schon immer so getan" und des " das haben wir noch nie so gemacht". Bürokratie muss sich auch in Nullen und Einsen wiederfinden.

        Hinzu kommt ein vollkommen falsch verstandener Datenschutzansatz, der in so irren Dingen, wie den Cookie-Zustimmungsarien noch lange nicht endet. Funktionieren Apps oder eine Websites nicht, wenn man nicht einem Mindestmaß an Google- und Facebook-Spionage zustimmt oder behandelt einen der Zahnarzt nicht, wenn man nicht vorher ein Datenschutzblatt unterzeichnet hat (nachdem man zuvor dessen Rechnungseinzugs-Unternehmen eine Tonne von Daten und Zustimmungen gegeben hat), so werden die Zustimmungen an sich beliebig. Zugleich sorgen solche Regelungen dafür, dass innovative Ansätze von Startups aber auch etablierten Unternehmen an ihnen scheitern. Das schlimmste für Gesetzgeber und Kontrollinstitutionen sind nämlich Konzepte, die wirklich neu sind und keinem bekannten Vorbild folgen.

        Ein deutsches Google, Facebook oder auch "nur" Microsoft würde es nie bzw. nur dann geben, wenn es eine Kopie des altbekannten ist. Und so etwas braucht niemand.

        Zurück zum Thema: Ist es nicht erschreckend, dass ein Szenario, wie das von mir beschriebene, eben nicht den USA bzw. den US-amerikanischen Unternehmen schaden würde, sondern uns selbst? Wie konnte man es über Jahrzehnte hinweg zulassen, dass es dazu kommt? Wenn morgen ein Irrer, wie Herr Trump, meint, Google- oder Amazon-Dienste für EU-Staaten abzuschalten, sitzen wir binnen kürzester Zeit wieder "alternativlos" (nein, selbst SAP hilft uns dann nicht weiter) bei Lagerfeuerschein in feuchten Höhlen. Und trotzdem ändert sich an der IT-Politik der EU praktisch nichts.
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        Macerer vom Dienst
        • Dazu kommen auch die »jungen weißen Männer«, die sich nicht scheuen, Ideen und Unternehmen zu verkaufen

          Ja, alles in allem ist die Lage traurig. Und bekloppt. Analoge Erfolgsgeschichten wurden und werden ausverkauft. Die neuen, innovativen digitalen gedeihen nicht oder werden ebenfalls verkauft, weil Exit schon als Strategie zählt.

          SAP als einzig noch vorhandener Konzern in entsprechender Größenordnung überlegt, ob er seine Software-Sparte für Mobilfunk-Netze verkauft. Sollten letztere nicht die Zukunft sein?

          Man kann der Politik viel vorwerfen, muss aber imho durchaus die Frage stellen, welche Verantwortung bei den Eignern liegt.
          • Da hast Du durchaus recht.

            Was SAP angeht, so sollte man jedoch immer vorsichtig damit sein, dieses Unternehmen und die Worte "Zukunft" oder "Innovation" gemeinsam in einem Atemzug zu erwähnen. SAP ist ein Dinosaurier, der bestenfalls alle paar Jahre mal optisch geliftet wird und sich Innovationen seit Jahrzehnten nur noch zukauft und dann mit Vorschlaghammer und Faustkeil in seine Produktpalette integriert.
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            Macerer vom Dienst
            • ist doch übliches Marktgeschehen...

              Das im Allgemeinen in der Branche anzutreffen ist. Siehe TikTok aktuell....Das hätte ein Innovator aus dem Silicon Valley doch locker machen können....wäre jetzt auch nur zugekauft.
              • Nicht ganz.

                Apple, Google, Amazon und andere Unternehmen der "neuen IT" schauen sich aktuelle Entwicklungen pemanent (!) interessiert (!) an. Sehen sie dort für ihre eigenen Produkte interessante Entwicklungen oder perspektivisch interessante Ansätze, so wird entweder die Idee aus eigenen Kräften aufgegriffen oder die Technologie bzw. seine Entwickler gekauft und ins Unternehmen bzw. dessen Produkte integriert.

                Die starren Dinosaurier, wie SAP, Microsoft, Oracle etc. gehen da anders vor: Sie warten ab, ob eine Idee Erfolg hat und kaufen sie dann bzw. erwerben Lizenzen. Eine möglichst reibungsfreie Integration ist so kaum möglich, weil keine Entwicklung parallel zu bestehenden eigenen Lösungen stattgefunden hat. Innovation sieht anders aus. Sie bedeutet nämlich auch, ggf. auf dem eingeschlagenen Weg zu scheitern oder falschen Lösungen zu folgen. Auch aus Rückschlägen gewinnt man Erkenntnisse - und sei es auch nur für eventuelle, spätere Produkte. Stattdessen kombiniert z.B. SAP Softwaremodule, deren Basis aus den Großrechnerzeiten der siebziger Jahre stammen, Jahre zu spät mit modernen Cloud-Lösungen...

                Wohin das Vorgehen der Dinosaurier führt, kann man derzeit auch schön an Microsoft sehen: Hatte man mit Windows 10 Phone einen recht innovativen Ansatz mit großem Potential - leider viel zu spät - auf den Markt gebracht, so wurde dieses Produkt recht bald kaputt gemacht und letztendlich eingestellt, weil die Banker im Vorstand keinen schnellen Return on Investment sahen. Heute nun versucht Microsoft erneut, im Mobilbereich ein Bein auf den Boden zu bekommen ... indem man bei Google shoppen geht und Android mit dem Microsoft-Konto kombiniert. In die Cash Cow des Unternehmens, dem Client- und Server-OS-Segment, lässt sich das ganze nur sehr grob integrieren und eine langfristig ausgelegte Ausrichtung ist leider kaum zu erkennen, weil das Unternehmen bei Smartphones, Tablets und Convertibles nun auf eine Handvoll verschiedene, nicht unbedingt immer miteinander kompatible Betriebssysteme setzt. Das ist Chaos, aber keine Innovation.
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                Macerer vom Dienst
                • Sehe ich etwas anders gelagert. Ohne den chinesischen Heimatmarkt wäre Tik Tok nie zu dem geworden, was es jetzt darstellt

                  Letztlich war/ist es eine sowohl im Hinblick auf Funktion als auch Altersgruppe eine recht eng fokussierte App. Genauso wie andernorts eine von wenigen Leuten umgesetzte Idee, die durch Auf- und auch Zukäufe erst so groß wurde und damit auch international anfangen konnte, eine Rolle zu spielen.
                  Insofern eigentlich nicht anderes, was irgendwo im Westen nicht genauso jeden Tag stattgefunden hat und stattfindet.

                  Das Produkt selbst ist m.E. aber nichts, was sich dauerhaft in seiner speziellen Ausrichtung als langfristig nutzbringende Anwendung ausbauen und halten könnte. Trends gehen so dermaßen schnell vorbei oder werden in breiter aufgestellte Geschichten eingebaut, dass es oftmals nur um Kaufen oder gekauft werden geht – wenn man nicht selbst die Türen in einem absehbaren Zeitraum schließen möchte. Das ist doch absehbar, dass sich dafür in 5, 10, 15 Jahren keiner mehr großartig interessieren wird.

                  Schau Dir an, was Twitter alles zugekauft hat und aus so Diensten wie Vine oder Posterous geworden ist. Letztlich hat es zwölf lange Jahre gedauert, bis endlich mal schwarze Zahlen geschrieben wurden.
                  Und da sind wir wieder bei den vermeintlichen Dinosauriern. Wie viele Jahre wären nötig, um mit einem eigenständigen Wunderlist als ursprünglicher Gründer und Entwickler tatsächlich den finanziellen Erfolg zu erzielen, den man durch den Aufkauf durch Microsoft hatte? So blöd das generell für den Standort Europa sein mag, ich kann solche Entscheidungen nachvollziehen.

                  Ich halte Microsoft seit Nadella für weitaus beweglicher als Apple, auch wenn mich diese Beweglichkeit persönlich insofern schmerzt, weil ich die Win Phones (noch zu 8er-Zeiten) wirklich mochte und mir vom OS her besser als Android und iOS gefielen, ich hatte wirklich gehofft, dass sie es schaffen, eine dritte Option zu etablieren. Sollte leider nicht sein.
                  Die sind imho schon am Puls der Zeit, vielleicht nur nicht so Consumer-fixiert wie Apple.
          • Du musst erstmal Eigner werden...

            und da spielt schon Politik und insb. Förderpolitik eine Rolle. Und auch die Rolle der Banken. Da hat sich mMn in den letzten 20 Jahren nicht wirklich viel getan. Vor allen in den Köpfen.
            Wie war das noch mit der Spieleförderung, Herr Scheuer? (Ein Beispiel)

            Auch bei Investitionspitch ausserhalb "Der Höhle der Löwen" brauchst du gar nicht erst antreten, wenn du keine Buzzwords ala Blockchain, KI etc. wirfst. Die Digitalisierung i.A. ist da schon uninteressant und nicht investitionsfähig, auch wenn die avisierten Märkte noch bei Analog 2.0 stehen und an Digital 3.0 noch gar nicht zu denken ist. Es ist so ermüdend.
    • Diese Frage ist in mehrfacher Hinsicht berechtigt

      Was Trump da jetzt letztendlich abgezogen hat, ist seit Jahren chinesische Praktik. Fabrikantionen bzw. waren in China nur über JointVentures möglich. Hier wird bei der digitalen Leistung/Fabrikation TikTok ein JointVenture erzwungen.

      Was haben europäische digitale Dienstleister zu bieten? Bisher nichts. Es gibt mehrfach gute Ansätze, die aber dank Herdentrieb nie wirklich fruchteten. Wenn man nicht ständig "aber die anderen sind auch alle bei WA" hören müsste, wäre Threema, Signal auch breiter in der Masse verfügbar. Mit Instagram, TikTok & Co wird aber in einer Geschwindigkeit eine digitale Sau nach der nächsten durchs Dorf getrieben...das hat ja schon Ausmaße von H&M und Primark bei der Mode.

      Der Zwang hat ja zu Privacy Shield (ungültig) und zu Serverstruktur in der EU geführt. Allerdings warte ich hier auf den nächsten Schritt, nachdem PS gekickt wurde.... bisher vernimmt man eher Schulterzucken.
    • Weil weder die EU noch D über ein Bedrohungspotenzial verfügt.

      Trump und China machen auf dicke Hose, weil sie riesige Armeen befehligen.

      Diese Art von Politik macht man in Europa nicht mehr. Zum Glück.

      Das Problem ist auch, dass man in den USA am Ende dem Präsidenten bedingungslos folgt. In der EU und D ist das zum Glück anders.

      Leider kann man hier nur langfristig etwas ausrichten , kurzfristige Schnellschüsse aus der Hüfte bringen nichts. Sie bewirken eher das Gegenteil.
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      Gruß
      Matt
      • Weil weder die EU noch D über ein Bedrohungspotenzial verfügt.

        » Trump und China machen auf dicke Hose, weil sie riesige Armeen befehligen.
        »
        » Diese Art von Politik macht man in Europa nicht mehr. Zum Glück.

        "Zum Glück" ist relativ.
        Das gilt genau so lange bis jemand mit seiner Armee in unseren Strassen auftaucht und sich einfach nimmt.
        Wem natürlich egal ist von welchem System ersiees unterdrückt wird, der darf sich kurz mal glücklich fühlen ...
        solange bis der aktuelle heutige Freizeitpark nur noch in den Geschichtsbüchern zu finden ist.
        Wenn Putin die EU einnehmen wollte, würde er erst an der Atlantikküste merken, dass er längst durchgefahren ist.

        Klar kann man als Gesellschaft entscheiden, dass das was wir heute haben sich nicht zu verteidigen lohnt, aber dann darf man sich nicht beschweren, wenn es keinen Bestand über längere Zeit hat. Das ist wie die berühmte demokratische Mehrheitsentscheidung in den brodelnden Lavakrater zu springen - kann man machen, muss aber nicht gut sein.