Da erlaube ich mir, noch etwas off topic beizutragen von da, wo ich wohne -> die Bombe

Pitigliano hat auch eine Synagoge. Es war mal die Stadt mit dem höchsten proportionalen Anteil jüdischer Einwohnern von ganz Italien, bis zu 20%, heisst es. Als Italien zum Staat wurde, zogen viele Juden in die grösseren Städte, nur noch etwa 80 von ihnen waren geblieben. Nach dem 2. Weltkrieg mit seinen Verwüstungen und Verwerfungen war ihre Gemeinde erloschen, die Synagoge zur Hälfte ins Tal gestürzt, und auf der anderen Hälfte wuchsen Büsche. Bis eine beherzte Dame, Signora Servi, den Wiederaufbau organisierte. Heute ist der Ort mit dem umgebenden Ghetto museal. Es wird der jüdischen Geschichte gedacht, es finden aber auch Konzerte und andere Kulturveranstaltungen statt. Alles sehr, sehr friedlich.

Was war ich geschockt, als vor zwei Jahren schwerbewaffnete Soldaten der italienischen Armee vor der Synagoge auftauchten! Dort stehen sie seitdem, 24 Stunden am Tag, die Maschinenpistolen im Anschlag, aber auch das Handy in der Hand (geht nicht ohne in Italien! Whatsapp! FaceBook!), auf der Hut vor den Terroristen, die überall auftauchen können.

Eine andere Geschichte ist, dass Pitigliano ein Weinort ist und ich Weintrinker. Nicht selten kaufe ich inzwischen (verurteile mich, wer will) meinen Alltagswein bisweilen in 5-Liter-Schläuchen. Den trägt man am Plastikgriff im Karton nach Hause, der Karton ist stabil genug für 5 Kilo. Dachte ich jedenfalls bis... Als ich aber gerade (High Noon, 33 Grad im Schatten) in Sichtweite der Soldaten an der Synagoge vorbeikomme, bricht der Boden vom Karton, und auf die Strasse knallt lauter als überhaupt vorstellbar der verchromte Weinschlauch. Er bleibt heil und liegt da zuckend in der Sonne glitzernd wie eine Tellermine. Oh My God! Die Zeit bleibt einen Moment stehen, die Maschinenpistolen bleiben Deko. Schrecksekunde bei mir und ein Grinsen bei den Soldaten. Ich habe überlebt und mich gefreut, dass wir Europäer auch in unerwarteten Situationen supercool bleiben können.

Nachtrag: Beim nächsten Kauf im Weinladen hat mir die Chefin ungefragt einen breiten Streifen Klebeband unter den Karton mit dem Schlauch geklebt. Supercool!

© apfelsaft

***

War vor wenigen Jahren. 2021: Die Soldaten sind inzwischen wieder weg.

a.