• Tja...

          Während anderenorts einfach gemacht wird, diskutieren wir hier noch über Digitalisierung. Ob, wie, wann und überhaupt...

          Du kannst mit dem Auto quer durch das Bürgerkriegsland Uganda fahren und hast immer Mobilfunkzugriff. Wenn ich hier im Südwesten Deutschlands ("Wir können alles außer..." - such Dir was aus) von meinem Arbeitsplatz aus ins 20 km entfernte Freiburg fahre, komme ich zweimal durch Funklöcher, die weder D1, noch D2 oder O2 abdecken. Dabei sind jeweils Ortschaften (ohne Sendemasten) in Sichtweite...

          Oder: Wir diskutieren seit Jahrzehnten (!) über die digitale Krankenversicherungskarte. In Estland z.B. hat man eine Karte, die ist Ausweis, Führerschein, Bankkarte, Sozialversicherungskarte etc. in einem. Datentechnisch alles sauber voneinander getrennt. Wie das geht? Die haben von Null neu angefangen und mussten sich daher nicht mit hunderttausenden Bedenkenträgern (aka Beamten) auseinandersetzen. Hier musste kein "Das haben wir noch nie so gemacht." oder "Das haben wir schon immer so gemacht." berücksichtigt werden. In Deutschland steht Digitalisierung de facto für "Analogisierung", heißt: Analoge Vorgänge müssen - so sinnlos sie auch sein mögen - 1:1 in die digitale Welt übertragen werden. Die Folge sind dann nicht am Bildschirm ausfüllbare PDF, die man herunterladen, ausdrucken, beschreiben und dann bei der jeweiligen Stelle in den Briefkasten werfen muss, oder auf der anderen Seite angeblich "sichere" Online-Vorgänge, die so irrwitzig kompliziert sind - möglichst noch mit zwischengeschaltetem Postident-Verfahren -, dass das niemand freiwillig zweimal macht. Wer schon mal versucht hat, eine AOK-Krankenversicherungskarte für den Onlinezugriff freizuschalten oder beim Online Banking der Postbank auch alle zwei Wochen das Passwort neu vergeben muss, weiß was ich meine...

          Deutschland ist in digitaler Hinsicht absolutes Entwicklungsland.
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          Macerer vom Dienst
          • Ja, da hast Du vollkommen recht. PS: Ich war letztens total überrascht, ich bekomme eine neue Krone und muss dazu

            den HKP und mein Zahnbonusheft per Post zur BEK schicken. Habe die App von denen installiert, Fotos von beidem gemacht, hochgeladen und bekam dann nach 1 Woche die Zusage per Post. Hätte ich nie mit gerechnet, dass das geht. Mein Zahnbonusheft ist da jetzt auch digital hinterlegt. Willkommen in der digitalen Zukunft der KK
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            Ohne Kaffee geht gar nix!
          • Nicht alles ist soo schlecht...

            Vielleicht bin ich in einer anderen Kategorie unterwegs, aber das Pw fürs Onlinebanking bei der Postbank ist bei mir gefühlt etwa 10 Jahre alt (faktisch aber bestimmt in diesem Jahr noch nicht geändert).

            Gleichwohl schließe ich mich Deiner Bestandsaufnahme weitgehend an. Man könnte in Dtschl vieles auch einfacher haben. Und wir sollten alle mehr danach streben die Dinge hier nicht nur zu bejammern, sondern anpacken und auch auf uns genehme Sonderregeln verzichten, der Vereinfachung halber. Aber leider hört der Wunsch nach mehr Einfachheit bei vielen immer dann auf, wenn Sie selbst von einer Sonderregelung profitieren.
            Andererseits möchte ich in keinem Land der Erde lieber leben als hier. Ein Land, das sich so eine Bürokratie oder so einen Regelungswahn (noch) leisten kann, ist wirklich reich. Welch ein Glück, dass wir hier leben können. Für kein Geld der Welt möchte ich in Uganda leben. Und wenn das Handynetz dort noch so gut ist. Sorry für Uganda (und fast alle anderen Länder dieser Erde).
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            Grüsse,
            olivers
          • eins der Probleme der Digitalisierung…

            ist tatsächlich, dass man seine Prozesse evaluieren und anpassen muss. Das ist ein immenser Aufwand. Wenn man sich die Idee hinter dem OZG anschaut betrifft das dann bummelig 600 Verfahren in den Verwaltungen die länderübergreifend angepasst werden müssen. Und die liegen dazu in vielen Fällen im Bereich der Kommunen. Da gibt es Kommunen, die fit sind, das zu stemmen. Das betrifft aber eben auch „Kleinkleckersdorf“, das überhaupt keine Expertise und kein Personal hat, diese Aufgabe zu stemmen. Der Bund darf nur Rahmen gestalten, die Länder brechen das auf ihre Anwendungen runter und deligieren den Rest an die Kommunen. Am Ende kommt nichts dabei raus, die Deadline Ende 2022 (seit 2015 bekannt) wird gerissen.
            Es kommt dazu, dass Medienkomoetenz in den Verwaltungsebenen generell nicht vorhanden ist und dafür dann externe Berater zum Zuge kommen. Das merkt man dann in den Projekten, wenn es entweder über 5 Ecken geht, quasi stille Post, oder dein Projektberantwotlicher auf Verwaltungsseite einfach Blödsinn macht. „Bitte schreiben sie in der Datenbank j/n, wir sind ja in Deutschland“ Kann man gerne tun, ist für Booleans aber einfach bescheuert. Bei dem Projekt ging es um Millionensummen, wir sollten (nein: mussten) nur mit 2 Nachkommastellen arbeiten. Dass dann am Ende 2ct falsch gerundet waren und die Rückzahlung eines zweistelligen Millionenbetrages im Raum stand…failure by design. Das Projekt lief auf Codekomponenten, die 1997 eingeführt wurden und seit 2000/2002 eigentlich EOL sind. Die Entwickler kenne ich persönlich und als sie hörten, dass wir damit arbeiten, zeigten sie mir einen Vogel. Die dringend benötigte Aktualisierung wurde ausgeschlossen „Herr ulf, dass Projekt muss nur noch 7 Jahre verfügbar sein, das aktualisieren wir nicht“. WTF. 7 Jahre öffentlich im Web. Das ist eine Ewigkeit. Danach bin ich dann gegangen, war zu frustrierend. Du erlebst es aber an allen Ecken und Enden.

            Die baltischen Staaten werden gerne als Vergleich herangezogen, dieser hinkt allerdings, da a) die Strukturen der Verwaltung als auch b) die Bevölkerung an sich da anders drauf sind.