Stimmt, ich seh das durchaus mit gemischten Gefühlen. Bestellt hab ich sie, freu mich auch drauf, aber eben nicht völlig unkritisch. Die…

… Features, die mich interessieren, haben allerdings weniger mit der Anzeige der Uhrzeit zu tun. Die Apple Watch ist ebensowenig eine Uhr wie das iPhone ein Handy ist.

Warum ich die Watch will: Ich denke einfach nur mal daran, wie oft ich am Tag das blöde iPhone aus der Tasche ziehe oder unter irgendwelchen Unterlagen/Sofakissen suche, weil es PIINGGG gemacht hat und ich wissen will, ob's jetzt was Wichtiges war (= ob ich reagieren muss) oder ob es warten kann. Dann einfach nur kurz auf's Handgelenk zu schauen und die Email bzw. den Anruf direkt beurteilen zu können, das find ich schon fein. Und natürlich auch die Möglichkeit zu haben, direkt von der Watch aus "Bitte nicht stören" aktivieren zu können, um diesen ganzen Benachrichtigungsterror mal vorübergehend abzuwürgen.

Alles andere sind Kleinigkeiten, die (jede für sich genommen) sicher kein Kaufargument darstellen, aber in der Summe schon interessant sind für mich:

Ich freu mich z.B. drauf, beim Radeln meinen Tacho direkt auf der Watch zu haben (= Strava [apple.com]). Meine Gitarre mit Amplifi Remote [apple.com] vom Handgelenk aus zu stimmen. Schnell das Passwort vom Server mit 1Password auf der Watch herausfinden zu können, wenn’s sein muss (und Mac & iPhone gerade nicht greifbar sind). Kurze Notizen mit Evernote zu diktieren. Meine Präsentation mit der Remote-App zu steuern (wobei ich das vermutlich genau EIN Mal machen werde – eben weil’s geht – und dann wieder den Klicker nehme). Und besonders freu ich mich auf Apple Pay, wann auch immer das den Weg nach Europa finden mag.

Ich bin öfter mal unterwegs, und ich könnte mir vorstellen, dass Dinge wie die Lufthansa-App, die mir Gate-Änderungen oder Verspätungen auf die Watch beamt, oder Capitaine Train [apple.com] (für Bahnreisen, denn von DB kann man wohl erst mal nix erwarten, die schaffen ja noch nicht mal Passbook-Integration), dann und wann sicher praktisch sind. Oder auch die integrierte Karten-App, wenn ich wieder in einer fremden Stadt unterwegs bin.

Was ich garantiert zuerst ausschalten werde: den ganzen Fitness-Scheiß. Ich bin ein fauler Sack, und daran wird auch Tim Cook nichts ändern können, ganz egal welche Models oder Ex-Models-jetzt-Sportler-und-Weltretter er auf die Bühne zieht.

Letzten Endes isses so: als ich mir 2010 mein erstes iPad kaufte, lag es erstmal ein paar Monate rum. Ich war schon kurz davor, es zu verkaufen. Dann kamen langsam die ersten wirklich guten Apps, dann kam iOS 4 mit ein paar nötigen Anpassungen, dann hab ich mich dran gewöhnt, das iPad nicht einfach nur als großes iPhone bzw. großen iPod touch zu sehen. Und plötzlich war es Teil meines Alltags, ohne dass ich es bewusst mitbekommen hatte. Bei der Watch wird es genauso sein: erst wenn die kritische Masse an nützlichen Apps da ist, erst wenn Apple das OS feingeschliffen hat, erst wenn die ersten Erwartungen (& Vorurteile) durch Praxiserfahrungen ersetzt werden, dann wird sich zeigen, was das wirkliche Potential der Watch ist. Bis dahin ist es eine Mischung aus „nice to have“ und „Erster, Erster!“.

Und ich verstehe auch sehr gut, warum viele Leute aktuell noch Zweifel haben, ob die Watch etwas taugt. Ich würde nicht den Begriff „Fernbedienung“ verwenden (das trifft es nicht ganz), aber natürlich ist es heute noch so: der Großteil der Funktionen der ersten Generation der Apple Watch basiert darauf, Dinge zu kommunizieren, die eigentlich auf dem iPhone passieren. Die Watch ist, in der aktuellen Form, quasi ein Relais. Aber das wird sich bald ändern. Irgendwann wird die Watch mehr und mehr „in-house processing“ machen können, weil Prozessoren und Akkus inzwischen so weit sind. Weil die Software weiterentwickelt wurde, weil die Entwickler mit neuen Schnittstellen auch neue Möglichkeiten bekommen haben. Mir ist bewusst, dass ich heute (bzw. Ende dieser Woche, wenn sich Apple an die Lieferprognose hält) im Prinzip nur einen „Prototyp“ bekomme. Auch das erste iPad war nur ein Vorgeschmack darauf, was möglich ist, was so ein Gerät leisten kann – allein schon das iPad 2 war ja fast ein komplett anderes Produkt. Aber ich hab mich trotzdem drauf gefreut, und ich freu mich auch auf die Watch.