Für mich ist Cooks Coming-out die fehlgeleitetste PR-Entscheidung Apples* der letzten Jahre. Warum? Darum:

Vorneweg – ich find's wunderbar, wenn jemand mit seiner Sexualität im Reinen ist und weiß, wo er bzw. sie steht. Ich verstehe nur die Art von Cooks jetziger Offenbarung nicht... und den Zeitpunkt schon gar nicht. Ich stell mir folgende Fragen rein aus "strategischen" Gründen, aus dem Blickwinkel eines Menschen, den die öffentliche Wahrnehmung Apples momentan sehr beschäftigt (auch beruflich). Und das hier sind diese Fragen. Es ist im Grunde genommen nur eine einzige.

Warum jetzt? Was hat er, was hat Apple (*: und ich gehe stark davon aus, dass das kein Alleingang Cooks ist, von dem der Rest von Apple keine Ahnung hatte) heute im späten Oktober 2014 damit gewonnen, dass er jetzt dieses fast schon defensive Essay schreibt? Für mich liest sich das wie eine Rechtfertigung, wie eine Reaktion auf etwas, das meines Wissens nicht stattgefunden hat. Wollte ihn wer erpressen? Wir werden es wohl nie erfahren. Er selbst sagt, sein Essay sei nicht "precipitated by any event" und auch keine "reaction to anything.". Liest sich aber so.

Warum dann? Warum jetzt? Warum nicht im Kontext der Gay Pride Parade, an der Cook im Juni teilgenommen hat [businessinsider.com], und zu der Apple extra ein Video [youtube.com] produziert hat?

Und warum jetzt auf diese zwar vordergründig proaktive aber fast schon trotzig reaktiv wirkende Weise mit diesem Essay? Mir geht es wie einigen hier, die nicht verstehen, wo bei Homosexualität die Leistung herkommen kann, auf die man stolz ist. Ich denke, man kann den Schwulenhassern dieser Welt nur dann die Butter vom Brot nehmen, wenn man keinen "big deal" daraus macht, sondern es als exakt die selbstverständliche und problemlose Tatsache hinstellt, die die andere Seite partout nicht akzeptieren kann bzw. will.

Man gibt Homophobie nur unnötige Angriffsfläche, wenn man genau so viel Aufhebens aus einer völlig natürlichen Sache macht wie die Homophoben selbst. Wowereit hat sicher eine Menge Scheiße gebaut, aber sein "Ich bin schwul, und das ist auch gut so" war für mich die beste Art des Coming-outs, die es gibt. Sprüche wie "I consider being gay among the greatest gifts God has given me" drücken sicherlich aus, wie Cook sich fühlt, aber sie machen ihn angreifbarer als nötig.

Warum also nicht ein lapidares "Oh, and just in case you didn't get it, I'm gay." von Cook während eben jener Gay Pride Parade im Juni? Wäre damit nicht viel mehr gesagt gewesen, ohne den Apple-/Schwulen-/Alleshassern dieser Welt, den christlichen Fundamentalisten Amerikas und sonstwo, den verbohrt-konservationen Medien allüberall bestes Kanonenfutter zu geben?

Gut, diese Überlegungen sind wahrscheinlich, hoffentlich müßig. Auf der einen Seite sicher eine Welle von gehässigen Kommentaren in den üblichen Foren (ich hab nur ein paar gelesen, dann ist mir schlecht geworden)... auf der anderen Seite Apples Aktienkurs, der gerade nur geringfügigst mit der Wimper zuckt und damit zumindest am Rande unterstreicht, dass Cooks Coming-out a) wenig überraschend war und b) tatsächlich keine Rolle spielt. Und spätestens Montag ist es wieder vergessen und alle können bestens damit leben.